Warum bleibt mir von meinem Lohn so wenig? Weil das Unternehmen zwar Gewinne macht, aber ich zu wenig davon sehe.
Der Mythos von 'Geht es der Wirtschaft gut, geht es allen gut' trifft aus mehreren Gründen schon seit längerer Zeit nicht zu. Wer als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer in einem gewinnorientierten Unternehmen Geld verdient, sieht nur in den wenigsten Fällen etwas von Gewinnausschüttungen oder Kapitalzuwächsen. Faktum ist, dass in Österreich fast ausschließlich Superreiche von Gewinnausschüttungen profitieren: das oberste Prozent in der Einkommensverteilung lukriert monatliche Einnahmen von 8.000 Euro aus Kapitaleinkommen, und verfügt zudem über mehr als die Hälfte des gesamten Vermögenseinkommens. Der größte Teil jener Einkommen, die nicht aus Arbeit stammen, kommen dabei aus Unternehmensbeteiligungen.
Kapital vor Arbeit: wer bekommt wieviel vom Kuchen? Darüber hinaus ist der Anteil von Entgelten für Arbeit und Anstellung am gesamten Wirtschaftsaufkommen in den letzten vierzig Jahren ganz deutlich gesunken. Ausgedrückt wird dies in Form der Lohnquote. Stellt man sich das gesamte pro Jahr erwirtschaftete Volkseinkommen als Kuchen vor, dann zeigt eine schrumpfende Lohnquote, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weniger vom Kuchen bekommen, während etwa Unternehmerinnen und Unternehmer oder Personen, die Aktien halten, immer größere Kuchenstücke abkriegen. Österreich zählt dabei EU-weit zu den Ländern, wo der Rückgang der Lohnquote von 1980 bis zum Zeitpunkt der weltweiten Bankenkrise im Jahr 2008 besonders hoch war. Diese Phase war auch von einem rasanten Anstieg der Erträge in der Finanzbranche begleitet. In den Nachkrisenjahren kam es kurzfristig zu Gewinneinbrüchen der Unternehmen, 2014/15 war die Lohnquote aber bereits wieder im Sinken begriffen. Die Lohnquote sinkt, während die beiden größten börsennotierten Unternehmen im Jahr 2016 Gewinne von 50 bis 65 Prozent verzeichneten.
Quelle:kontrast.at
Doch auch ein Steigen der Lohnquote bedeutet nicht automatisch, dass alle Arbeitenden gleich viel vom (Einkommens-) Kuchen erhalten. Tatsächlich bleiben niedrige Einkommen in den letzten Jahren zurück, während Personen mit Spitzeneinkommen davonziehen. Technologische Veränderungen und der geringere Einfluss von Gewerkschaften drehen das Rad weiter zugunsten von jenen, die über das nötige Know-how und die nötigen Anlagemittel verfügen, um in einer digitalisierten Arbeitswelt zu überleben.
Wenn Unternehmen sich vor Steuern drücken, wer finanziert die soziale Infrastruktur? Es ist unumgänglich, darüber zu diskutieren, wie insbesondere größere Unternehmen einen solidarischen Beitrag für das Zusammenleben in Österreich leisten. Dies gilt umso mehr, als das Phänomen der internationalen Steuervermeidung dazu führt, dass sich Unternehmen und Reiche aus der Finanzierungsverantwortung stehlen, indem sie sich Steuer-Schlupflöcher in anderen Ländern suchen. Dieses Geld fehlt anderswo, etwa bei der Finanzierung von öffentlichen Schulen, Straßen oder Kindergärten. Personen, die tagtäglich Steuern auf ihren Lohn bezahlen, haben so einen immer größeren Teil dieser solidarischen Verantwortung zu tragen.
Was tun? Sinnvoll wäre es daher, Kapitalerträge in Österreich nicht mit einer pauschalen Niedrigsteuer („Flat Rate“) zu versehen, sondern wie den Faktor Arbeit progressiv zu besteuern. Jene,die hohe Einkünfte aus Kapitalerträgen (Dividenden oder Zinsen) erzielen, würden so einen deutlich höheren Solidarbeitrag leisten, als jene, die nur wenig Einkommen aus ihren Unternehmensbeteiligungen oder Kapitalanlagen lukrieren. Weitere Maßnahmen, die aus Sicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu begrüßen sind, betreffen aufkommensneutrale Änderungen in der Steuerstruktur zur Entlastung des Faktors Arbeit und entschlossene internationale Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können außerdem auch selbst etwas tun, um ihre Position zu verbessern, indem sie einer Gewerkschaft beitreten. Mit hohem Organisationsgrad steigt die Chance auf gute Lohnabschlüsse.
Links:
[1] Melzer, M., Rehm, M., Schlager, C., Schnetzer, M. (2014) Top-Vermögen und Einkommen in Österreich. Wien: Kammer für Arbeiter
und Angestellte. Verfügbar hier
[2] Altzinger, W., Humer, S., Moser, M. (2016) Entwicklung und Verteilung der Einkommen, Sozialbericht, Kapitel 13, Wien: BMASK.
Verfügbar hier
[3] Guschanski, A., Onaran, Ö. (2016) The political economy of income distribution: industry level evidence from Austria, Wien:
Kammer für Arbeiter und Angestellte. Verfügbar hier
[4] Wiener Börse (2017) Börse und Kapitalmarkt in Österreich: Bedeutung und Zusammenhänge. Verfügbar
hier
FPÖ-Wirtschaftsprogramm: Fressen die Steuern die Löhne auf?